Der Flur der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag
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Ein Abgeordneter der AfD-Landtagsfraktion wird vom Verfassungsschutz beobachtet

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Verfassungsschutz beobachtet Abgeordneten der AfD in Bayern

Die Beobachtung von Abgeordneten durch den Verfassungsschutz ist besonders heikel. Das Bundesverfassungsgericht hat dafür strenge Regeln festgelegt. Seitdem ist in Bayern keine solche Beobachtung bekannt geworden. Bis jetzt.

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Wenn sich Verfassungsschützer über ihr Vorgehen äußern, ist das heikel. Sie müssen darauf achten, sich nicht selbst die Arbeit zu erschweren, weil sie zu viel Preis geben. Und sie müssen die Persönlichkeitsrechte desjenigen wahren, den sie beobachten. Noch heikler ist es, wenn es um Abgeordnete eines Parlamentes geht. Denn hier stehen Mitglieder der Legislative unter exekutiver Beobachtung. In Bayern ist das jetzt der Fall.

Verfassungsschutz beobachtet eine Person – prüft weitere

Ein halbes Jahr lang hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz geprüft, ob es Abgeordnete der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag beobachten darf. Das Ergebnis: Bei einem Mitglied des Landtags wird das fortan so sein. Das schreibt das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz auf BR-Anfrage. "Bei der betreffenden Person liegen hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass sie ihr Mandat zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht und diese aktiv und aggressiv bekämpft." Bei weiteren Personen, "einer niedrigen einstelligen Zahl", werde die Prüfphase verlängert.

Strenge Regeln für den Verfassungsschutz

Dass Abgeordnete beobachtet werden, ist nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich. Die hat das Bundesverfassungsgericht 2013 klar gezogen. Damals beobachtete das Bundesamt für Verfassungsschutz einzelne Abgeordnete der Linken im Bundestag, unter anderem Bodo Ramelow. Er klagte dagegen – und bekam Recht.

Das Grundgesetz garantiere dem Abgeordneten ein freies Mandat – und damit auch eine "freie Kommunikationsbeziehung" mit den Wählerinnen und Wählern, betonten die Richter. Nur in seltenen Fällen könne eine Beobachtung – also ein Eingriff in diese Freiheit – gerechtfertigt und verhältnismäßig sein. Etwa dann, wenn Abgeordnete ihr Mandat "zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung" missbrauchen, oder diese aktiv und aggressiv bekämpfen.

Ethnischer Volksbegriff, Vernetzung mit extremistischem Vorfeld

In Bayern sieht der Verfassungsschutz nun offenbar die Grenze bei einem Abgeordneten der AfD-Fraktion überschritten. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz habe im Prüfungszeitraum fortwährend Äußerungen festgestellt, in denen "ein gegen die Menschenwürde gerichteter ethnischer Volksbegriff propagiert wird". Außerdem sei die Person bestrebt, "die Vernetzung der AfD hin zum extremistischen Vorfeld der Partei zu intensivieren". Einen Namen nannte das Landesamt für Verfassungsschutz nicht.

AfD: Keine Beeinflussung von Fraktionsangelegenheiten

Die Fraktionsvorsitzende der AfD im Bayerischen Landtag, Katrin Ebner-Steiner, teilt dem BR mit: "Grundsätzlich lassen wir uns unsere Fraktionsangelegenheiten nicht vom sogenannten Verfassungsschutz vorschreiben." Innerhalb der Fraktion werde selbst darüber entschieden, wie man als demokratisch gewählte Abgeordnete miteinander umgehe. Zudem fügt sie an, "dass der Inlandsgeheimdienst als nachgeordnete Behörde des Innenministeriums von einem politischen Beamten geleitet wird". Politische Beamte sind als Bindeglied zwischen Behörde und Minister gedacht und können jederzeit von diesem ausgetauscht werden können. Das unterscheidet sie von normalen Beamten. In Bayern gibt es allerdings keine politischen Beamten – anders als etwa im Bund und anderen Bundesländern.

Ebner-Steiner teilt zudem mit: Solange die Vorwürfe der Behörde nicht unabhängig verifiziert werden könnten, sei es nicht möglich, dazu Stellung zu nehmen.

Beobachtung in der Vergangenheit eingestellt

Es ist ein Novum in Bayern. Noch nie ist es seit dem Ramelow-Urteil vorgekommen, dass das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz einen Abgeordneten beobachtet und darüber informiert. 2017 etwa beobachtete das Landesamt den damaligen AfD-Landeschef Petr Bystron einige Monate, noch bevor er Abgeordneter wurde. Mit seinem Einzug in den Bundestag stellte es das ein. 2018 beobachtete es drei AfD-Politiker, die dann in den Landtag gewählt wurden: Uli Henkel, Ralf Stadler und Andreas Winhart. Auch hier stellte das Landesamt die Beobachtung ein.

Auch in anderen Bundesländern hält man sich bedeckt. BR24 hat alle Landesämter für Verfassungsschutz sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz angefragt. Fast alle wollen sich dazu nicht äußern und verweisen darauf, dass dies Rückschlüsse auf ihre Arbeit zulassen könnte. Der thüringische Verfassungsschutz verweist auf seine Berichte, in denen etwa der thüringische AfD-Landeschef und Landtagsabgeordnete Björn Höcke namentlich erwähnt wird. In Mecklenburg-Vorpommern beobachtete das dortige Landesamt zehn Jahre lang – von 2006 bis 2016 – die Abgeordneten der NPD, die sich heute "Die Heimat" nennt und als gesichert rechtsextremistisch gilt.

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